Trends & Lifestyle
Sich mit Freunden auf einen Kaffee treffen oder mit dem Barista über die neuesten Bohnensorten fachsimpeln: Unsere heutigen Coffee Shops und Spezialitätencafés sind ohne die ersten europäischen Kaffeehäuser undenkbar. Im 17.Jahrhundert entstanden in Großstädten wie Wien, Paris, Prag oder Budapest die ersten traditionellen Kaffeehäuser, die bis heute etablierte Institutionen sind. Nicht umsonst zählt die Wiener Kaffeehauskultur seit 2011 zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO. Dabei gehört mehr zur Kaffeehaus-Kultur als Kaffeetrinken in zumeist prunkvoll gestalteten Räumlichkeiten: Das Lesen, Debattieren und Spielen stand auf der Tagesordnung. So prägten Kaffeehäuser das gesellschaftliche Leben als Orte des politischen, philosophischen wie kulturellen Austauschs. Hier kamen Intellektuelle, Literat:innen oder Künstler:innen zusammen, um über die verschiedensten Themen ihrer Zeit zu sprechen. Oftmals zum Unmut der Obrigkeit.
Seit jener Zeit wird auch in Deutschland Kaffee getrunken. Allerdings blieb der Wachmacher vor allem in den ärmeren Bevölkerungsschichten lange ein seltenes Gut. Das hing unter anderem mit dem staatlichen Kaffeemonopol zusammen, das Friedrich der Große für Preußen erließ. Nur der Staat durfte mit den Bohnen handeln und Kaffee wurde mit hohen Steuern zum Luxusgut. Ziel war es, den Konsum der teuren Importware einzuschränken und die heimische Wirtschaft anzukurbeln.
Zur Überwachung stellte er sogenannte ‚Kaffeeriecher‘ an, die illegale Kaffeeröstereien über den Geruchssinn ausmachen sollten. Das Volk antwortete jedoch mit ausufernden Kaffeeschmuggel. So wurde das staatliche Kaffeemonopol 1787 wieder abgeschafft, da der Schaden durch Schmuggel anstieg und die Kontrollen wenig effektiv waren. Nichtsdestotrotz, entstand in Deutschland keine derart prägende Kaffeehauskultur wie beim österreichischen Nachbarn.
Mit Beginn der Industrialisierung avancierte der Kaffee zum Volksgetränk und hielt als Muntermacher der Arbeiter Einzug in die Haushalte. Während und nach den Weltkriegen wurde Kaffee erneut zum Luxusgut. Kaffeetrinken blieb lange Zeit etwas Besonderes und wurde mit speziellem Kaffeegeschirr und Kuchen an Sonn- und Feiertagen zelebriert. Dabei unterhielt man sich über Neuigkeiten und Gerüchte – damit war der Kaffeeklatsch geboren.
Cafés und Spezialitätenbars existieren im Land der bekennenden Filterkaffee-Liebhaber, die ihren Kaffee gern daheim trinken, noch nicht all zu lange. Vor gut 50 Jahren kam mit den ersten Espressobars Bewegung in die deutsche Kaffeewelt: Kaffeespezialitäten wie Cappuccino, Latte Macchiato oder Café au Lait machen dem klassischen Filterkaffee Konkurrenz und eroberten sich ihren Platz auf den Getränkekarten. Nicht nur der Kaffee, sondern auch seine Zubereitungsarten wurden mit French press, Espressokocher und Vollautomaten vielseitig.
Immer mehr Menschen setzen sich mit ihrem Kaffee intensiver auseinander. Die gesamte Wertschöpfungskette gerät in den Fokus, Specialty Coffees sind gefragter denn je und viele Kaffeefans versuchen sich auch als Heim-Barista in den eigenen vier Wänden. Diese gestiegene Aufmerksamkeit und Wertschätzung für guten Kaffee geht einher mit der Entwicklung der Coffee Shop-Kultur.
Dabei ist und bleibt der Coffee Shop erste Anlaufstelle für den Austausch – nicht nur rund ums Thema Kaffee. Hier trifft man sich auf einen Kaffee mit Freund:innen um über Neuigkeiten und die großen und kleinen Dinge zu sprechen. Auch die Mitarbeiter:innen vor Ort sind mehr als nur Servicepersonal und reichern mit Kaffee-Diskussionen und Gesprächen den Alltag vieler Menschen an. Und gerade mit den Schließungen der Cafés in den letzten Monaten wird klar: Da fehlt was. Denn Coffee Shops haben nichts von ihrer sozialen Bedeutung eingebüßt.
In unserem Podcast ‚The Soul of Coffee‘ erfahrt Ihr mehr über die Kaffee-Kultur. Philipp Reichel, Betreiber des Kaffee 9 und der Rösterei VOTE in Berlin sowie Initiator des Berlin Coffee Festivals, erklärt wohin sich Coffee Shops entwickeln und welche Trends sich abzeichnen.
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