Bohnenkultur
Für die meisten von uns ist Kaffee Energiespender am Morgen und der nötige Kick durch den Tag. Einige reagieren jedoch empfindlich auf das enthaltene Koffein oder vertragen es nicht. Lange galt koffeinfreier – oder genauer: koffeinarmer – Kaffee unter Liebhabern nur in solchen Fällen als angemessene Kaffeewahl. Seit einiger Zeit aber erfreut sich entkoffeinierter Kaffee, auch „Decaf“ genannt, zunehmender Beliebtheit. Wir gehen diesem Trend auf den Grund und schauen, was es mit Decaf auf sich hat.
Entkoffeinierter Kaffee ist nichts Neues. Hinter dem Begriff steht ein Prozess, bei dem den Kaffeebohnen Koffein durch verschiedene Methoden entzogen wird. Dabei entsteht in den seltensten Fällen völlig koffeinfreier Kaffee. In der EU beispielsweise darf sich Kaffee nur dann als entkoffeiniert bezeichnen, wenn maximal 0,1 Prozent Restgehalt des aufputschenden Stoffes verblieben sind.
Der Genuss koffeinfreien Kaffees war lange Zeit klischeebehaftet. Entweder man verzichtete wegen eines empfindlichen Magens oder allgemeiner Nervosität auf „echten Kaffee“ oder wich aus Sorge vor einer gesundheitsschädigenden Wirkung von Koffein auf die koffeinarme Variante aus. Diese Angst, das zeigt sich heute, ist bei moderatem Kaffeekonsum unbegründet.
Heute lässt sich vielmehr ein neuer Trend zur bewussten Wahl von entkoffeiniertem Kaffee beobachten, insbesondere bei den Millennial-Jahrgängen. Die Gründe hierfür liegen in einem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein, einem Bedürfnis zu größerer Kontrolle über die konsumierten Speisen und Getränke und dem allgemeinen Vorbehalt gegenüber Stoffen, die für den Körper potenziell schädlich sein oder abhängig machen könnten. Hinzu kommt eine starke Vernetzung über die sozialen Netzwerke.
Aber auch Personen, die die Wirkung von Koffein durchaus schätzen, aber sensibel darauf reagieren, haben Grund, zum Decaf zu greifen, wenn sie sich beispielsweise am späten Nachmittag noch eine heiße Tasse Kaffee gönnen wollen, ohne später unruhig zu schlafen. Diese Entscheidung wird heute durch die Tatsache erleichtert, dass man mit der Wahl koffeinarmen Kaffees keine qualitativen Abstriche machen muss. Gesundheitsschädliche Prozesse bei der Herstellung des Kaffees und minderwertige Kaffeebohnen gehören spätestens seit der „dritten Kaffee-Welle“ der Vergangenheit an. Röster stellen an entkoffeinierten Kaffee dieselben hohen Qualitätsstandards wie an den koffeinhaltigen Bruder.
Dies war nicht immer so – so stand Decaf im Ruf, ungesund zu sein. Zum ersten Mal kommerziell vertrieben wurde entkoffeinierter Kaffee zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den deutschen Kaufmann Ludwig Roselius. Dieser hatte das Verfahren zur Entfernung des Koffeins aus dem Kaffee der Legende nach durch Zufall entdeckt: 1903 beobachtete er bei einem Schiffsbruch, dass die geladenen grünen Kaffeebohnen nach dem unfreiwilligen Bad nahezu ihren gesamten Koffeingehalt verloren hatten.
Das Roselius-Verfahren, das er sich 1906 patentieren ließ, wird in abgewandelter Form noch heute verwendet. Allerdings ist das in dem Verfahren verwendete Lösungsmittel Benzol in der Zwischenzeit wegen seiner krebserregenden Wirkung stark in Verruf geraten. Die heute üblichen Extraktionsmittel wie Dichlormethan oder Ethylacetat gelten dagegen schon seit geraumer Zeit als gesundheitlich unbedenklich.
Seit der Entwicklung des ersten Extraktionsverfahrens durch Roselius wurden zwar weitere moderne Prozesse entwickelt, aber sie ähneln sich:
Der Entkoffeinierungsprozess beginnt stets mit den noch grünen und ungerösteten Bohnen. Würde man den Prozess nach dem Rösten ansetzen, wäre das Resultat ein Heißgetränk mit strohiger Note. Anschließend werden die Bohnen in heißem Wasser gebadet und unter wiederholter Zugabe von Lösungsmitteln wie Dichlormethan oder Ethylacetat in ihrem Koffeingehalt reduziert. Dabei sollen die rund 400 chemischen Bestandteile von Kaffee, die neben dem Koffein für das volle Aroma sorgen, möglichst unangetastet bleiben.
Außer diesen Arten der Koffeinextraktion gibt es noch weitere Verfahren wie beispielsweise das Schweizer-Wasser-Verfahren, das im Grunde wie die indirekte Methode funktioniert, nur, dass keine künstlichen Lösungsmittel verwendet werden. Nennenswert sind auch das Kohlenstoffdioxid- und das Tryglycerid-Verfahren, die, wie auch das Schweizer-Wasser-Verfahren, einen besonders aromatischen Decaf versprechen. In Brasilien wurde sogar versucht, Kaffeesorten mit sehr niedrigem Koffeingehalt zu züchten. Diese als Decaffito bezeichneten Sorten sind aber gerade aufgrund des Fehlens von Koffein, dem natürlichen Pestizid des Kaffeegewächses, besonders anfällig für Schädlinge.
Die Qualität und Herstellungsmethoden von entkoffeiniertem Kaffee sind also heutzutage einwandfrei und man erhält Kaffee höchster Güte. Doch welche gesundheitlichen Vorteile hat Decaf gegenüber koffeinhaltigem Kaffee, der selbst seine Vorzüge hat?
Klischees, dass koffeinarmer Kaffee nur etwas für ältere und kranke Menschen ist oder wässrig und geschmacksarm sein soll, sind nicht mehr zu halten. Röster achten bei Decaf heute ebenso auf Qualität und Herkunft der Bohnen wie bei koffeinhaltigem Kaffee, außerdem behält guter Decaf die bis zu 800 unterschiedlichen Aromastoffe von Kaffee. Unsere Partner-Rösterei Vogelmaier beispielsweise hat einen wirklich überzeugenden Decaf. Mit solch einem Kaffee sind dem Genuss keine Grenzen gesetzt: Man kann ihn in jeder Variation, vom Espresso über den Macchiato bis hin zum Cappuccino, zubereiten oder in spannende Drinks einarbeiten wie den Klassiker „Espresso Martini“.
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